Leseschwäche

Die Fähigkeit zu lesen kommt dieser Gesellschaft immer mehr abhanden. Man liest Kürzel. Man kürzt gerne ab.

Auf dem Weg der Abkürzung geht jedoch vieles verloren: Der Weg vor allem und das ist übel und schade weil der Weg vom Lesen bis zum Verstehen die eigentliche Entwicklung ist bzw. wäre! Das wollen oder können Viele nicht begreifen. Ihnen geht es um so etwas wie das „Endergebnis“ - die Essenz möchte man sagen aber diese „Essenz“ die will selbst erarbeitet sein! Sie ist das Ergebnis des durchlaufenen Prozesses! Sie ist das was nach dem Lesen in einem bleibt! Wer also abkürzt, der bringt sich um den Weg, um das Lernen, um die Entwicklung - schlicht um den Sinn eines echten „Textes“!

Vieles das man heute liest beinhaltet nichts. Es ist wie verkochtes Gemüse ohne Vitamine, wie Verpackung ohne Inhalt - bunt und anregend und auch nur zum oberflächlichen Anschauen gemacht aber drinnen hohl und leer und öde. Dafür geht es schnell. Man „überfliegt“ alles in solcher Höhe dass man da mit seiner naturgegebenen Kurzsichtigkeit kaum irgendwelche Details erfassen kann so denn überhaupt welche vorhanden wären! Es ist ja vorgekaut, püriert, damit diese „literarische Breikost“ runter geht wie süße Sahne. Zu kauen gibt es da freilich nichts mehr und so schwächt man sich Magen und Geist, verliert die Zähne und letztendendes auch den Biss.

Wenn es so weiter geht dann „liest“ die Masse bald gar nichts mehr, "Schlagzeilen" mal ausgenommen, Sie „sieht“ nur mehr. Symbole, reduzierte Zeichen, Pfeile, Bilder. Das ist mechanisiertes Funktionieren aber es ist praktisch weil eine echte Meinungsbildung die mit persönlicher Bildung also mit Entwicklung von Wesen und Persönlichkeit einherginge nicht mehr vorkommt. Und mit der ums sich greifenden Leseschwäche leidet die Sprache. „Darf ich Eis…?“ Für den Konsum genügt das Reduzierte. Darauf deuten. Es greifen. Schauen wo es „auf“ geht. Es konsumieren, verdauen, ausscheiden und die Verpackung die meist über den Inhalt Unwahrheiten verbreitet achtlos wegwerfen.

Wie soll man da noch reden und worüber wenn alles nur mehr „leicht“ gehen darf? Man liest das, bei dem man sich am wenigsten bemühen muss! Man sucht sich das aus, was einem am wenigsten abverlangt, was einen weder auf die eigenen schwächen, auf das eigene ungenützte Potential hinweist, das einen trainieren und den Horizont erweitern könnte! Man meide den persönlichen Gewinn!!! Da ist keine Herausforderung mehr. Da ist nichts. Nur eine Wüste aus platten Worten und flachen Sätzen ohne Sinn und Schärfe.

Ich suche mir bewusst „schwere“ Texte an denen ich mich schon mal auch plage - also an denen ich lerne und wachse!!! Ich finde neue Worte und gebe sie meinem Wortschatz hinzu!!! „Wortschatz!“ Was für ein WORT! Was für ein wunderbarer und alles beschreibenden Ausdruck!!! Ist es wirklich ein Schatz den man da hütet, oder ist es nur eine leere Kiste mit wenigen, abgenutzten Worthülsen und ein paar glanzlosen Standardfloskeln drin?

Für immer mehr Menschen genügt es eine kleine Schachtel mit Stehsätzen parat zu haben. Sie haben ja sich und anderen nichts (mehr) zu sagen - zumindest nichts mit Tiefe. Man will, kann, braucht in unserer technisierten Zeit ja auch keine poetische Sprache mehr möchte man meinen. Es genügt doch die Maschinensprache von „ein“ und „aus“. Was aber wenn man aus der Tiefe reden will? Was wenn sich die Seele oder das Herz meldet und nach Wort sucht? Was wenn „wollen“ nicht genügt und man schon „dürstet“ nach Liebe oder nach Wärme oder Nähe! Was wenn man nicht nur „braucht“ sondern sich nach etwas „verzehrt“? Das sind ja nicht nur Worte!!! Das sind ja auch gefühlte Zustände die natürlich gelebt und ausgedrückt, dem anderen gesagt(!) sein wollen! Da ist ja Grundbedürfnis nach durch Sprache erzeugter Resonanz!!

Es ist ein Grundbedürfnis das man uns abtrainiert - mit harter, oberflächlicher, sexualisierter und auf den technischen Ablauf reduzierter Handlung. Es ist das Sprechen im Rahmen einer eingekürzten und dazu auch noch teilweise falsch verfassten Betriebsanleitung für das Leben. Es ist der traurige Verlust von Gefühl und der Verzicht auf eine Brücke die vom Leser in die Seelenwelt und somit zur Seelenverwandtschaft des Autors führt - es ist der Verlust von Tiefe und Sinn!

Dagegen muss man angehen! Dagegen muss man anlesen und anschreiben! Dagegen hilft dass man sich Wert gibt! Das macht frei weil es Tiefe bringt und weil in dieser Tiefe das wahre Selbst zu finden ist das in Wort und Fleisch, in Gefühl und Geist seiner natürlich Bestimmung entsprechend gelebt sein will!

Lest, schreibt, sucht in der Tiefe und sprecht einander zu was ihr dort findet! Es ist eine Reise!

Herzlichst

Georg