Marathon


"Ein einziger Grundsatz wird dir Mut geben, nämlich der, dass kein Übel ewig währt." (Epikur von Samos)


Weiterlaufen. Obwohl eigentlich schon keine Kraft mehr da ist. Einen Schritt vor den anderen setzen, obwohl die Lugen keine Luft mehr haben. Weitermachen, obwohl die Gelenke schmerzen und die Muskeln am Ende sind. Nicht aufgeben, obwohl man so unendlich müde ist. Alles zieht sich in die Länge. Dachte man vor ein paar Monaten noch, diesen ganzen Wahnsinn leicht aussitzen zu können, so denken und fühlen Viele heute anders. Manche haben sich gewöhnt. Manche haben resigniert. Wieder Andere sind enttäuscht, weil das was sie sich erhofft haben, nicht eingetreten ist, egal wie gut oder übel es gewesen sein mag. Viel wurde hinausposaunt, aber die Klänge sind verstummt, ohne dass es einen Wiederhall gegeben hätte. "Das Neue" ist ausgeblieben. Der "grosse, globale Wandel" oder ein globales "Erwachen", das manche voreilig schon für morgen oder übermorgen verkündet haben, ist zumindest bisher noch nicht wirklich eingetreten.

Was gekommen ist, das war viel profaner und ist kaum romantisch oder mystisch. Was gekommen ist, das ist die Furcht und mit ihr die Hoffnung und die Frage, welche der beiden Kräfte wohl den meisten Raum im Herzen einnehmen wird. Was gekommen ist, das ist vor allem eine überschaubare Sammlung von Ängsten und ein veritables Chaos, dass man heute noch gar nicht so recht begreifen kann. Ach ja, und die Spaltung ist in die Gesellschaft gekommen, nur muss man dazu festhalten, dass sie nur zu spalten imstande war, was zuvor schon Risse hatte!

Wir laufen also weiter. Ich laufe also weiter. Aber ich laufe nicht dem Weg davon. Ich versuche, auch auf diesem Abschnitt meines Lebenswege mein Bestes zu geben. Dazu musste Ballast abgeworfen sein. Da ist viel hinter mir zurück geblieben: Erfahrungen, Fehler, Dinge und Ansichten, auch Freunde die keine waren und manch falsche Vorstellung von der Welt. Einiges wirkt noch nach, aber es spielt keine Rolle mehr. Ich stelle fest: Ich bin nicht mehr der, der ich war - und das ist gut so.

Es ist ein Marathon von dem niemand weiss, wie lange die Strecke in Wahrheit ist, oder durch welche Gegenden sie den Läufer führen wird. Zu gewinnen gibt es wohl nichts, ausser dem das einem auf seinem Lauf begegnen wird und das kann auch viel Wunderbares sein! Was man gewiss mitnehmen wird, wenn man das Ziel dereinst durchlaufen hat, wird ausser der Erschöpfung aber auch viel an neuer Erkenntns sein! Der Lauf lehrt einen ja auch Einiges. Er zeigt uns die Schwächen mit ehrlicher Schonungslosigkeit, aber er weist uns zugleich auch auf unsere Stärken hin! Das hat das Leben, zumindest bei Jenen die hinzusehen wagten, immer schon getan: es hat gelehrt!

Wir laufen also weiter. Ich laufe also weiter. Und mit mir Jene die mir nahe sind. Ich laufe also nicht alleine. Es gab Tage, das gestehe ich ein, da wollte ich mich neben den Weg setzen und der Müdigkeit nachgeben. Ich wollte mich in den Staub legen und schlafen, lange und ohne Traum, um dann, am Ziel zu erwachen. Aber so bringt man keinen Weg hinter sich, so lernt man nichts und so erfährt man sich nicht! Also verwehrte ich mir die Rast. Diese Tage haben mich gelehrt langsamer zu laufen - viel langsamer! Und so fällt mein Blick nun wieder auf die Landschaft rings um mich und diese Landschaft ist eigentlich schön und wunderbar! Nur sieht man sie nicht, wenn man hetzt. Also langsam laufen, leicht und federnd! Das geht und man bringt auch Weg hinter sich und der Weg wird einem sogar wieder zum Freund auf diese Art. Er wird einem wieder zum guten Lehrer. Wozu sich auch plagen, wenn man gar nicht weiss wie lange der Weg ist? Wozu sich eilen, wenn man nicht weiss, wo und wann das Ziel ist? Wenn man den Weg langsam läuft, ohne Hast und frei von einer sinnlosen Angst die entsteht, weil man die Länge des Weges nicht kennt, dann wird er einem leicht. Zudem kannte man die Länge des Weges zuvor ja auch nicht! Nur weil der Weg aktuell etwas staubig ist, bergauf führt und einem mehr abverlangt, ist es imm er noch das selbe Leben, der selbe Läufer! Ich bin ja immer noch ich! Ob der Weg meinen Vorstellungen entspricht ist ja einerlei. Es ist ja immer noch mein Lebensweg! Nur führt er mich aktuell durch eine Zeit und eine Landschaft die mir fremd ist - so fremd wie all die anderen Zeiten und Landschaften zuvor!

So mag die Frage nicht jene nach der Art des Weges die richtige sein, sondern danach, WIE der Mensch IST, der ihn läuft! Verängstigt ist das Ego, verletzt ist der Stolz, zerschlagen sind die Projektionen, enttäuscht sind nur die Vorstellungen - ans Licht kommt der Zustand des Läufers.Auch, oder gerade dieser Abschnitt des Weges kann uns so vieles über UNS SELBST lehren! So stellt sich die Frage "wer bist du?" bzw. "wer sind wir?" aktuell mit Vehemenz! So drängt sich auch die Frage nach Deinem WIRKLICHEN Ziel, aktuell massiver auf als je zuvor! Und auch der Blick auf uns selbst, auf die ART userers Seins, auf unseren ZUSTAND, ist beinahe schon zwingend und klar wie nie zuvor! Und haben wir uns diese Fragen, wenn überhaupt, noch vor kurzem nur im stillen Kämmerchen und das ganz leise gestellt, so wagen wir es jetzt immerhin, diese Fragen etwas lauter zu stellen und an uns gegenseitig zu richten!

Vielleicht sind wir auch jetzt wesentlich offener für die Antworten - denn jetzt dürsten wir nach ihnen, jetzt verzehren wir uns nach ihnen, so wie sich der Läufer nach einem Becher Wasser sehnt! Und die Antworten werden kommen wie das Wasser! Es wird Gewissheit geben! Es wird gut sein, wenn wir nur weiter laufen, mal langsamer, mal schneller - jeder in seinem Tempo!

Lass Dich nicht ablenken von jenen, die aufgegeben haben und links und rechts des Weges im Staub liegen und nur auf bessere Zeiten hoffen! Lass Deinen Lauf auch nicht von Jenen stoppen, die falsche Ziele im Angebot haben oder, in sentimentaler Vewirrung zurück an den Beginn der Reise wollen! Trink nicht von allem das man Dir reicht, sondern nimm nur das klare, reine Wasser das von den Quellen kommt! Suche nicht die Schuld sondern die Möglichkeit! Verirre Dich nicht und vertraue auf die Führung Deiner Ahnen!

Vor allem aber vergiss eines nicht: das Universum ist intelligent, die Seele ist unendlich und alles hat seinen Sinn, auch wenn Du ihn meist erst im Nachinein erkennen kannst! Das Leben ist gut, weil es Dich schon bis hierher geführt hat! Erinnere Dich auch daran, dass es immer noch DEIN Leben ist und dass es immer noch DEIN Weg ist - nur führt er aktuell durch ein Gelände, das Dir und uns allen mehr abverlangt, als wir vielleicht gewohnt sind!

auf bald

herzlichst

Georg