Andere Zeit


Heut war Holzarbeiten angesagt, den ganzen Tag lang. Und wie das Freude macht! Auch wenn es anstrengend ist, weil es wahr ist und weil man am Ende vor eigener Hände Arbeit steht. Das tut unheimlich gut.


Ich komme ja noch aus einer anderen, aus einer analogen Zeit. Die war irgendwie organischer. Da gab es keine „Avatare“ und Abenteuer erlebten wir Kinder noch im Wald, am Bach, im Freien und nicht in irgendeiner „computergestützten Virtualität“. Wir waren draußen, unbeobachtet und hatten daheim zu sein wenn’s dunkel wurde, verdreckt, verschwitzt, mit zerrissenen Hosen und blaugefrorenen Fingern im Winter - aber rundum glücklich. 


Alles war klar. Mutter und Vater, die Freunde, die Nachbarn, die Lehrer, alles war ohne Zweifel. Es gab nur zwei Geschlechter und hie und da gab es auch was anderes, was gleichgeschlechtliches das man aber auch irgendwie akzeptierte - es war keine Thema, kein Tamtam wurde darum gemacht und das „Binnen-I“ war noch nicht erfunden. Manches war geheimnisvoller. Die Welt war weniger pornographisch dafür aber um einiges sinnlicher. Meine Bücher waren aus Papier, meine Phantasie ohne Grenzen und meine Träume bunter als alle Kinofilme.


Ich komme noch aus einer Zeit in der die Fahrräder ausschließlich von der eigenen Muskelkraft angetrieben wurden, von Jungen und Alten gleichermaßen. Das einzige das man aufladen musste war man selbst, mit einfachem, guten Essen. Manchmal gabs sogar Schokolade. Aber daheim gab es eben was es gab und niemand fuhr „mal eben schnell zu Macsowieso“. Ich selber war der Akku der mein Leben angetrieben hat - ich war der Dynamo meiner Freiheit. 


Ich komme aus einer Zeit da war man nicht zu erreichen am Wochenende oder wenn man nicht zuhause war und im Urlaub, in Lignano oder am Gardasee zum Beispiel, dann schon gar nicht. Und wenn man sich was zu sagen hatte dann tat man das von Angesicht zu Angesicht und weil man sich gegenüberstand hat man gut überlegt was man sagen wollte. Wir navigierten aus dem Bauch heraus. Unsere „Updates“ kamen vom Leben selbst. Wir haben Postkarten geschrieben. Und Liebesbriefe. 


Das war eine gute und echte Zeit und ganz ehrlich: irgendwie bin ich dort geblieben im „damals“ -zumindest ein Teil von mir. Der fühlt sich dort einfach wohler. Natürlich war damals nicht alles "besser", es gab auch Zank und manches lief schief - aber es war an sich GUT und das hat mir und uns genügt.


Ich bin ein wenig sentimental wenn ich das hier jetzt tippe und ganz ehrlich, ich würde euch das alles lieber am Lagerfeuer sagen! Ich würde Holz nachlegen und von der guten, alten Zeit erzählen. Dann wären wir dort, in meiner Zeit und alles wäre gut. 


Ich komme aus einer anderen Zeit und ich komme vom Land. Da bin ich immer noch, in dieser Zeit und auf dem Land - und ich bin froh darüber! Vielleicht sind aber auch die Zeit und das Land ganz einfach nur in mir geblieben.


Bis bald, an besagtem Feuer


Herzlichst


Georg 

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